PSD

Aus Prius Wiki

Wechseln zu: Navigation, Suche
Bestandteile des PSD
PSD und Diätpepsidose im Größenvergleich
PSD im Größenvergleich gegenüber Kreditkarte
Schnittmodell Prius 2 – Ansicht Powertrain (Antriebsstrang)
Schnittzeichnung Antriebsstrang Prius II
Antrieb Prius II von unten, PSD in Bildmitte
Prius II Motoren/PSD (Paris Automesse 2004)
aufgeschnittenes HSD im Technikmuseum Speyer


PSD = engl. Abkürzung für Power Split Device - Kraftverteiler (= Planetenrad-Getriebeeinheit des Prius). Die deutsche Übersetzung von PSD im Prius-I-NCF lautet: Antriebskraftverteilungs-Vorrichtung (!).

Inhaltsverzeichnis

PSD in den verschiedenen Prius-Generationen

Vom grundsätzlichen Aufbau her hat sich das Hybridsystem, und damit auch das PSD, nicht geändert. Daher gilt nachfolgende Beschreibung sowohl für den Prius I, den Prius II als auch den Prius III. Beim aktuellen Prius III befindet sich auf der Welle von MG2 zwar ein Untersetzungsgetriebe, doch kann MG2 mit seinem Untersetzungsgetriebe bezüglich der Kraftabgabe an das PSD als eine Einheit betrachtet werden.

Funktion

Der Verbrennungsmotor (ICE) und die beiden Motor-Generatoren MG1 und MG2 (MG) sind via PSD verbunden und bilden die Motor-Getriebeeinheit des Prius.

Das PSD besteht aus folgenden Komponenten

  • Sonnenrad, verbunden mit MG1 (oft "Generator" genannt)
  • Planetenträger, verbunden mit ICE
  • Hohlrad, verbunden mit MG2 (oft "E-Motor" genannt) und mit den Rädern

Durch unterschiedliche Drehzahlen und Drehrichtungen dieser drei Komponenten mitsamt ihrer angeflanschten Motoren wird ein stufenlos variables Getriebe realisiert (CVT). In einem Planetengetriebe hängen die Drehzahlen der drei Teilnehmer immer proportional, linear voneinander ab. Deshalb lassen sich diese Verhältnisse grafisch durch einen sogenannten Nomographen darstellen. Ein solcher Nomograph (auch: "Nomogramm" oder english: "Colinear Graph") ist auf dem ersten Bild unten zu sehen. Die linke senkrechte Linie repräsentiert alle möglichen Drehzahlen des MG1, die mittlere die vom ICE, die rechte von MG2. Bei richtiger Skaleneinteilung und Positionierung der Linien lassen sich alle gültigen Drehzahlkombinationen durch eine gerade Verbindungslinie darstellen. Die im Bild eingezeichnete Linie zeigt als Beispiel den Zustand “ICE steht still, MG2 bewegt sich vorwärts (und somit auch das Auto) und folglich muss sich MG1 rückwärts bewegen”. Die weiter unten besprochenen Zustände entsprechen anderen geraden Linien.

Die Bedeutung des PSD ist mit der Wirkung als stufenloses Getriebe nicht erschöpft. Ganz essenziell für den Prius ist, dass das PSD es möglich macht, die Motoren so zu steuern, dass der Benzinmotor immer innerhalb sehr eng definierter Drehzahl-Drehmoment-Kombinationsbereichen bleibt und erst so seine überragende Effizienz erreicht. Anders ausgedrückt: Dass die Drehzahlen des ICE kaum mit der Fahrgeschwindigkeit, dafür aber sehr eng mit der erforderlichen Leistung zusammenhängen, wird vom PSD ermöglicht.

Die vielen unterschiedlichen Zustände des Hybridantriebs bzw. des PSD sind mit beweglichen Grafiken schön dargestellt in einem Prius I-Simulator aus Japan und, anders, auf der Webseite von Graham Davies (s. Weblinks).

Nomograph zur visualisierung der möglichen Drehzahlkombinationen im PSD Einfache Darstellung des Planetengetriebes

Wirkungsweise

Hier möchte ich die Zusammenhänge im weiteren Verlauf verbal darstellen. Die elektronische Steuerung des Ganzen nennen wir hier kurz der Computer. Wir fangen einfach an und steigern uns dann.

(1) Wagen setzt sich elektrisch in Bewegung.

MG2 ist mit dem Hohlrad verbunden und auch mit den Rädern. Deshalb reicht es, wenn der Computer dem MG2 Strom zuführt (MG2 als Motor). Hohlrad und damit der Wagen setzen sich in Bewegung. Da der ICE stillsteht, steht der Planetenträger still, die Planeten selbst aber werden vom Hohlrad ins Rotieren gebracht und treiben das Sonnenrad samt MG1 an, und zwar rückwärts. MG1 läuft frei mit.

(2) Wagen steht. Der ICE soll gestartet werden.

Da der Wagen steht, bewegen sich Hohlrad und MG2 nicht. Der Computer führt MG1 Strom zu, damit das Sonnenrad sich vorwärts dreht (MG1 als Motor). Zwischen stehendem Hohlrad und bewegendem Sonnenrad werden die Planeten samt ICE vorwärts bewegt und bei ausreichender Drehzahl kann der ICE starten.

(3) Wagen steht. ICE läuft.

Da der Wagen steht, bewegen sich Hohlrad und MG2 nicht. ICE läuft (grundsätzlich vorwärts), die Planeten, außen im stehenden Hohlrad eingreifend, treiben das Sonnenrad samt MG1 vorwärts an. MG1 lässt sich so als Generator verwenden, z.B. um die Fahrbatterie zu laden.

(4a) Wagen fährt elektrisch (vorwärts), ICE wird gestartet.

Da der Wagen (mit MG2 als Motor) fährt, bewegt sich das Hohlrad mit entsprechender Geschwindigkeit und da der ICE steht, also der Planetenträger stillsteht, bewegen die rotierenden Planeten das Sonnenrad samt MG1 rückwärts. (Dieser Zustand entspricht der im Nomographen eingezeichnete Beispiel-Linie.) Damit der ICE gestartet wird, führt der Computer dem MG1 Strom zu, damit er sich um soviel weniger rückwärts bewegt wie unter Punkt 2 vorwärts. Das heißt: bei langsamer Fahrt kehrt sich die Drehrichtung von MG1 hierbei auch um von rückwärts nach vorwärts, bei schnellerer Fahrt dreht sich MG1 lediglich weniger schnell rückwärts. Es kommt nicht auf die absolute Drehrichtung an, sondern auf die Relation zur Bewegung des Hohlrades. Diese Differenz ist es, die den Planetenträger in Bewegung setzt. Der ICE wird so in Bewegung gesetzt und kann starten. Hier funktionieren also beide MGs als Motor, beide mit einem vorwärts gerichteten Drehmoment.

(4b) Wagen fährt elektrisch rückwärts, ICE wird gestartet.

In Prinzip passiert genau dasselbe wie unter Punkt 4a, nur dass MG1 während der elektrischen Rückwärtsfahrt lose vorwärts dreht. Der Computer veranlasst also nicht, dass MG1 weniger rückwärts, sondern dass er schneller vorwärts dreht. Der Effekt auf den Planetenträger ist identisch: er setzt sich vorwärts in Bewegung. Wie unter Punkt 4a erklärt, kommt es nicht auf die absolute Drehrichtung an, sondern auf die Relation zur Bewegung des Hohlrades.

(5.1) Fahren mit ICE. Der naheliegende Zustand.

Wir stellen uns vor: Wir fahren, der ICE läuft. Jetzt soll der Benzinmotor den Wagen antreiben. Der Computer gibt Gas, der ICE erhöht seine Drehzahl. Aber der MG1 dreht lose mit und wir stellen bedauernd fest, dass die Anstrengungen des ICE nichts bringen: sie führen nur dazu, dass MG1 sich immer schneller dreht, aber am Hohlrad kommt von den Pferdestärken des ICE nichts an. Es ist so wie wenn man versucht, auf perfektem Glatteis vom Fleck zu kommen. Wir brauchen eine Gegenkraft. Die Planeten müssen am Sonnenrad einen Widerstand erfahren, proportional zur Kraft, die auf das Hohlrad übertragen werden soll. Fazit: Der Computer muss MG1 dazu veranlassen, sich gegen Rotation zu sträuben. Dann können die Planeten eine Kraft auf das Hohlrad übertragen. Wie bringt man einen elektrischen Motor-Generator dazu, sich gegen Rotation zu sträuben? Zum Beispiel, indem man ihn als Generator schaltet. Und so entsteht tatsächlich der Power Split: damit der ICE überhaupt seine PS loswerden kann, generiert MG1 notgedrungen Strom. Dieser Strom lässt sich aber glücklicherweise nutzbringend anwenden: um MG2 zu speisen und/oder um die Fahrbatterie zu laden. Kurz: MG1 ist Generator, MG2 kann gleichzeitig Motor sein. Es wird deutlich, dass der Prius durchaus nur elektrisch fahren kann, aber grundsätzlich nie ausschließlich mit dem Benzinmotor. Ohne Beteiligung der MGs kann der ICE nichts ausrichten.

(5.2) Fahren mit ICE. Ein zweiter Zustand.

Beim Fahren mit ICE gibt es aber auch einen anderen Zustand, der selten beschrieben wird, weil er etwas schwerer zu verstehen ist (Graham Davies: Heretical Mode). Falls während der Fahrt der Bedarf an Leistung des ICE sehr gering ist, so bestimmt der Computer, dass der ICE mit nur geringer Drehzahl laufen soll. Das lässt sich dann aber oft nur dadurch realisieren, dass man MG1 rückwärts laufen lässt. Aber da die Antriebskraft des ICE die Planeten vorwärts treibt und somit auch auf MG1 eine vorwärts gerichtete Kraft ausübt, bekommen wir den MG1 nur in einer Rückwärtsbewegung, indem wir ihn als Motor mit rückwärts gerichtetem Drehmoment einsetzen. Aber wenn MG1 als Motor funktionieren soll, woher dazu den Strom nehmen? Dies ist eine von den Situationen, wo der Prius den MG2 als Generator wirken lässt, damit man mit dem so gewonnenen Strom den MG1 speisen kann. Es wird sozusagen am Hohlrad etwas Energie angezapft um sie anderswo einzusetzen. Also: genau umgekehrt als bei Punkt 5.1: MG1 ist hier Motor, MG2 ist Generator. (Soviel zu den Standardbezeichnungen von MG1 als Generator und MG2 als Motor. Das stimmt offenbar nicht nur beim Starten und beim Bremsen nicht.) Das Bäumche-wechsle-dich-Spiel zwischen MG1 und MG2 wird vom Computer jedes Mal veranstaltet, wenn Grund besteht, bei aktivem ICE die Drehrichtung von MG1 zu verändern.

(6) Schnell fahren ohne ICE.

Wird bei Fahrgeschwindigkeiten über ca. 80 km/h der ICE nicht benötigt, so darf er bei hohen Fahrgeschwindigkeiten trotzdem nicht ganz stehen bleiben. Stünde der Planetenträger bei hoher Drehzahl des Hohlrades still, so würde das Sonnenrad - das viel weniger Zähne als das Hohlrad hat - zu sehr hohen (rückwärtsläufigen) Drehzahlen gezwungen, höher als MG1 verkraften kann. Um diesen hohen Drehzahlen entgegenzuwirken, muss MG1 gebremst werden (arbeitet also generatorisch). Das bewirkt ein Mitschleppen des ausgeschalteten ICE.

Weiterführende Betrachtung: Der Energieverlust beim Mitschleppen des ICE hält sich in Grenzen, weil seine Drehzahl auch bei hohen Geschwindigkeiten vergleichsweise sehr niedrig gehalten werden kann. Wünscht der Fahrer jedoch keine Verzögerung, so muss MG2 motorisch neben der Fahrwiderstandsleistung sowohl die Schleppleistung des ICE als auch die Generatorleistung von MG1 erbringen. Letzterer Leistungsanteil kann zwar aus der Generatorleistung von MG1 selbst bezogen werden, jedoch aufgrund der Energiewandlungsverluste der beiden E-Maschinen und der Invertereinheit nicht vollständig.

(7.1) Bremsen.

Dieses Thema ist im Vergleich zum Vorherigen recht harmlos und überdies fast allen bekannt: Wenn wir mit dem Bremspedal einen Antrag auf Verzögerung an den Computer stellen, bemüht er sich, möglichst viel Bremswirkung dadurch zu erzielen, dass MG2 als Generator geschaltet wird. Der Zustand des ICE und die daraus resultierende Situation des MG1 spielt dabei keine Rolle, solange man in D bleibt und nicht nach B schaltet. Ist die Batterie voll, läuft allerdings der ICE mit und erzeugt eine zusätzliche Bremswirkung. Diese ist aber schwächer als wenn man in "B" geht.

(7.2) Bremsen mit Motorbremse.

Die Motorbremse wird aktiviert, wenn man den B-Modus einschaltet. Es passiert das gleiche wie beim normalen Bremsen, jedoch wird zusätzlich MG1 als Generator geschaltet. Der ICE läuft (im Gegensatz zu Punkt 6) mit hoher Kompression mit und erzeugt so eine zusätzliche Bremswirkung. Das macht jedoch nur Sinn, wenn die Hybrid-Batterie bereits voll ist oder die entsprechende Leistung nicht aufnehmen kann. Sonst sollte man nie auf B schalten. Bei langen Bergabstrecken sowie bei tiefen Temperaturen ist es allerdings ratsam gleich in den "B" Modus zu gehen, da unter Umständen sonst die mechanischen Bremsen zu stark beansprucht werden. (Bei tiefen Temperaturen wird der mögliche Rekuperationsstrom limitiert und wenn die Batterie voll ist geht alles was nicht im ICE absorbiert wird direkt auf die mechanischen Bremsen)

(8) Neutralstellung.

Das ist eigentlich ganz einfach, der Computer tut nichts. MG1 und MG2 laufen leer mit, der ICE behält den Zustand bei, den er hatte, bevor auf N geschaltet wurde d. h. entweder er steht oder läuft mit Leerlaufdrehzahl. Bei Fahrgeschwindigkeiten über ca. 80 km/h muss MG1 den ICE mitschleppen (siehe Punkt 6). Bedeutet praktisch: Man fährt über 80 km/h, ICE läuft zwangsweise mit und man wählt die Neutralstellung: Der ICE wird weiter laufen. Wichtig: Dieser Zustand wird beibehalten, auch wenn man beispielsweise ganz angehalten hat (wenn man also aus 90 km/h bis zum Stillstand bremst) - in Neutralstellung wird der Zustand beim Einlegen der Neutralstellung einfach beibehalten.

Zusatzbemerkungen:

Wenn man sieht, wie groß der Aufwand an Bildern und/oder Text ist, um die Funktionsweise des PSD halbwegs vollständig zu erklären, kann man verstehen, warum Toyota es bei seinen Darstellungen für die Öffentlichkeit meistens bei irreführend vereinfachten Beschreibungen lässt. Aber schade ist das trotzdem. Wenn sich schon mal irrtümlicherweise eingeprägt hat, dass der Hybridantrieb sich aus einem Benzinmotor und einem Elektromotor zusammensetzt, oder dass MG1 der Generator und MG2 der Motor ist, fällt es um so schwerer, ein richtiges Verständnis von der Wirkungsweise zu entwickeln... (Das gilt insbesondere für den Zustand unter Punkt 5.2, der alles auf den Kopf zu stellen scheint. Kein Wunder, dass man es in den USA "Heretical Mode" nannte. "Heretical" bedeutet "ketzerisch".)

Das Mitschleppen des ICE, beschrieben unter Punkt 6, kann man als bedauernswerten Kompromiss sehen. Aber immerhin hat man so erreicht, dass der Prius-Antrieb tatsächlich gänzlich ohne Gänge auskommt und jeder Techniker weiß, dass auch in den Zahnrädern einer sonst üblichen Gangschaltung einiges an Energie verloren geht. Und schließlich haben die Toyota Ingenieure mit dieser Anordnung und ihrer souveränen, effizienz-optimierenden ICE-Drehzahl-Steuerung viel mehr an Sauberkeit und Sparsamkeit gewonnen, als durch Kompromisse verloren ging. Außerdem: kein Automobil ist ohne Kompromisse.

Wenn man sieht, was im Hybridantrieb alles so, oft sekundenschnell wechselnd, vor sich geht, wird klar, dass dieses Konzept erst mit der heute verfügbaren elektronisch-elektrischen Steuerungstechnologie richtig möglich geworden ist.

Kennt man die Wirkung des PSD, so sieht man auch, dass das Drehmoment des Prius (maximal 478 Nm am PSD-Ausgang beim Prius II) nicht mit dem eines konventionellen Fahrzeugs (gemessen an der Kurbelwelle) vergleichbar ist. Beim Prius wird es über eine Kette und ein Vorgelegegetriebe an die Räder geleitet, immer mit der gleichen Übersetzung. Bei herkömmlichen Fahrzeugen ist die Übersetzung unterschiedlich: je niedriger der Gang, desto größer die Verstärkung. Dies führt dann zum subjektiv gefühlten "Beschleunigungskick" beim Schalten. Dieser Kick fehlt beim Prius, aber wenn man misst, wieviele Sekunden ein bestimmter Beschleunigungsvorgang dauert, erweist sich der Prius oft als Gewinner, auch wenn das subjektive Empfinden oft umgekehrt ist...

Weblinks